Aus Erzählungen älterer Borkumer Einwohner wissen wir, dass es auf der Insel früher keine großen Feierlichkeiten zum Weihnachtsfest gab. Der Kirchgang war selbstverständlich und an den beiden Weihnachtstagen besuchten die Insulaner ihre Verwandten, „um bi ein Koppke Tee mitnander tau prootjen“. Da die Einwohner gewohnt waren, sich selbst zu versorgen, füllte man zu Beginn der Winterzeit Keller und Vorratsräume mit Feldfrüchten und eingemachtem Obst. Wichtig war auch ein großer Vorrat an Brennmaterial. Das Schwein war schon im Spätherbst geschlachtet und ein leckerer Braten wird wohl auf jedem Tisch gewesen sein.

Wie die Groß- und Urgroßeltern berichteten, gab es zum Nikolaustag – auf Borkum am frühen Morgen zum Klaasohmfest am 5. Dezember – für die Kleinen, neben dem Stutenkerl „un Sünnerklaasgaud“, auch ein paar „wärmende“ Kleinigkeiten, wie selbst gestrickte Strümpfe oder andere brauchbare Kleidungsstücke. Übereinstimmend sagen alle Zeitzeugen aus, dass es keinen Weihnachtsbaum gab. Man kannte diesen Brauch nicht.

Der Weihnachtsbaum kommt auf Borkum an

In Ostfriesland tauchten Weihnachtsbäume erst im 19. Jahrhundert auf. Alten Berichten zufolge sollen die ersten in den 1840er-Jahren in und um Leer aufgestellt worden sein – bevor sich der Brauch nach und nach in ganz Ostfriesland ausbreitete. Dass sich dieser Brauch im Norden relativ spät entwickelte, liegt zuallererst daran, dass Weihnachten lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle spielte. Zuvorderst feierten die Ostfriesen vielerorts – nach niederländischem Vorbild – am 6. Dezember Sinterklaas bzw. den Heiligen St. Nikolaus, der auch als Schutzpatron der Seefahrer verehrt wird. Das Weihnachtsfest gewann im hohen Norden erst im 20. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung.

Auch auf Borkum war das Weihnachtsfest lange Zeit zweitrangig. „Aus Erzählungen meiner Großmutter weiß ich, dass mein Opa Jan Jochems Bekaan, geboren 1873, als Kind Geschenke zu Nikolaus bzw. Klaasohm erhielt. Das Weihnachtsfest selbst war eher spartanisch – und einen Weihnachtsbaum gab es damals auch nicht“, erinnert sich Inselhistoriker Jan Schneeberg.
Den ersten Weihnachtsbaum brachte Reiner Hedden nach Borkum. Reiner Hedden kam als Leuchtfeuerwärter von Norderney nach Borkum und bezog hier mit seiner Familie eine Dienstwohnung. Im Gegensatz zu den Borkumern, die mehrheitlich der evangelisch-reformierten Kirche angehörten, war die Familie Hedden evangelisch-lutherisch. Ehefrau Greetje kannte den Weihnachtsbaum und wollte auch nicht auf den Lichterglanz verzichten. Dass die Nachbarskinder staunend davorstanden, ist verständlich und man kann nur vermuten, dass sie ihre Eltern bestürmten, auch einen Baum zu kaufen. Aber der musste auf dem Festland besorgt und per Schiff transportiert werden, also bei dem bescheidenen Einkommen sehr teuer. Einige Familien kamen auf die Idee, einen Besenstiel umzufunktionieren und der Vater bastelte aus Holz einige dekorative Holzfiguren. Auch knackige Äpfel wurden poliert, bis sie glänzten und hingen dann als Blickfang im „Baum“. Trotzdem stand dann bald in jedem Borkumer Haus ein echter Weihnachtsbaum, aufgestellt „in de beste Vörkamer“, wo nur an Sonn- und Feiertagen geheizt wurde.

Quelle: Wolf E. Schneider, „Die große BIOGRAFIE der INSEL BORKUM“, 2021/2023

Der Weihnachtsbaum kommt auf Borkum an

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