Zu Ostern gingen die Kinder – oft auch mit den Eltern – in „de Paaskedäle“, eine Wiese im Bereich der heutigen Geert-Bakker-Straße. Der weiche Moosboden eignete sich gut durch eine lange Rinne zum Eiertruulen oder zum Eierpicken. Beim Eierwerfen wurden die durch Zwiebelschalen braun gefärbten Eier in die Luft geschleudert und die Kinder riefen: „Dit is mien Ei un blifft mien Ei un is mien Pingster- un Paaskeei – un sall mien Ei uk blieven!“
Der Osterspaziergang auf der Insel ist ganz traditionell auch ein Familienvergnügen für die Borkumer. Der Inselhistoriker Jan Schneeberg kennt noch die Stellen, wohin man zu Ostern, „an Paaske“, ging. Ostern heißt auf niederländisch Paask und auf Borkum gab es eine Paaskedelle.
Die Paaskedelle, nahe dem Borkumer Wasserturm an der Geert-Bakker-Straße, hat besonders weichen Moosboden in den Dünen. Dorthin gingen die Borkumer Kinder mit ihren Eltern und versuchten, die hartgekochten Ostereier vorsichtig so weit wie möglich zu werfen. Insbesondere mit den Eiern, die noch vom Eierbikken beim Osterfrühstück übriggeblieben sind. Dabei wurden die harten Eier geschickt aneinandergeschlagen. Es gewinnt, wessen Ei heil bleibt. Deswegen nennen sie auf Borkum den Ostersonntag auch Hikkenbikkensönndag, den Tag des Eierbikkens. „Dabei gibt es schon einige Tricks“, schmunzelt Jan Schneeberg. „Aber wenn man verliert, ist es auch nicht schlimm, dann wird das Ei eben sofort gegessen.“ Und den entsprechenden Spruch auf Platt hat er auch gleich parat: „Dit is mien Ei, und blifft mien Ei; un is mien Pingster- un Paaske-Ei.“ Ob die Eier allerdings bis „Pingster“, also bis Pfingsten unaufgegessen halten, ist doch eher unwahrscheinlich.
Es gab um Ostern noch eine alte Sitte, die vollkommen verloren gegangen ist. Die kleinen Kinder bekamen am Ostermorgen ein Körbchen mit Eiern und Süßigkeiten. Die etwas größeren Kinder mussten sich schon etwas Moos besorgen für den Korb oder ein Moosnest im Garten bauen.
Eigene Namen für die Tage der Osterwoche
Blouwe Maandag Blauer Montag
Geele Dingsdag Gelber Dienstag
Witte Middeweek Weißer Mittwoch
Greundünnersdag Gründonnerstag
Stille Freidag Karfreitag
Husenbusensaterdag Ostersonnabend; der Tag, an dem Haus und Scheune geputzt
werden
Hikkenbikkensönndag Ostersonntag; der Tag des Eierbikkens
Eiertrullenmaandag Ostermontag; der Tag an dem die Eier die Dünen hinabrollen
(trullen)
Upfretendingsdag Dienstag nach Ostern; Resteessen
Feurige Tradition
Osterfeuer haben hierzulande eine lange Tradition und lodern am Abend des Ostersonnabends natürlich auch schon seit Jahrzehnten auf der Nordseeinsel Borkum. Früher brannten noch fast 30 Holzstapel, geblieben sind noch die drei Feuer am Großen Kaap, an der Reedestraße und der Julianenstraße.
Auf Borkum sind es vor allem Kinder, Jugendliche und junge Männer, die bei der Organisation des Feuers die Ärmel hochkrempeln und mitanpacken. Christian Fink ist in der Nähe des Kaaps am Nordstrand aufgewachsen. Seit seiner Kindheit hilft er mit seinen Freunden bei der Organisation des Feuers. Dabei ist auch sein Sohn Klaas; zusammen mit fast 30 Borkumern bereiten sie wochenlang dieses Ereignis vor. Bereits kurz nach Neujahr beginnen sie die abgeschmückten Weihnachtsbäume, trockenen Holzschnitt und Reisige aus den Gärten zu sammeln. Sie verstauen das Material an sicheren Orten, denn wie schon vor Jahrhunderten blüht zu Ostern auf Borkum eine sportliche Rivalität auf: Jeder möchte das schönste und größte Osterfeuer haben. Und dafür wird das Brennmaterial sorgfältig bewacht. Bis dann am Morgen des Karfreitags die eigentliche Arbeit beginnt. Vier große Baumstämme, die sogenannten Stöner, werden fest in den Dünensand eingeschlämmt. Zwischen diesem Gerüst wird dann sorgfältig das Brennmaterial aufgestapelt. Dafür verwenden die Borkumer eine große Sorgfalt, denn das Feuer soll ganz herunterbrennen. Wenn es zu früh kippt, schadet das dem „guten Ruf“ der Osterfeuerstapler. Wie auch immer das Wetter ist, diese Nacht vor dem Ostersonnabend, dem Husenbusensaterdag, harren die Jungens und die Männer an dem Gerüst aus. Denn früher gab es die Tradition auf Borkum, dass „feindliche“ Osterfeuerbauer den Ehrgeiz hatten, die anderen Feuer anzuzünden. „Zwar gibt es diese Gefahr jetzt nicht mehr“, meint Christian Fink, „aber man weiß ja nie…“ Also bleiben sie und am Ostersonnnabend wird das riesige Gebilde weitergebaut.
Tom Dooley
Gegen Mittag folgt dann der Höhepunkt. Oben, in fast 10 Meter Höhe, wird traditionell eine aus Stoffresten selbst gebastelte Figur aufgehängt, der Tom Dooley. Bevor die Osterfeuer schließlich am Abend vor Ostersonntag offiziell angezündet werden, krönen die Gruppen ihre Pyramiden noch mit einer Stoffpuppe namens „Tom Dooley“. Dieser war ein vermeintlicher Frauenmörder aus den amerikanischen Südstaaten und wurde bereits 1868 – glaubt man dem bekannten Folk-Song – an einem weißen Eichenbaum erhängt. Ob er tatsächlich seine schwangere Verlobte erstochen oder für seine eifersüchtige Geliebte gelogen hat, konnte nie eindeutig geklärt werden. Auf Borkum muss er jedoch an jedem Ostersamstag wieder dran glauben.
Und dann am Abend des Ostersonnabends nach Einbruch der Dunkelheit geht es los. Die Besucher strömen in die Dünen zu den drei Feuerplätzen. Der hohe Holzstapel am Kaap steht fest und eine kleine Flamme wird auf die vorbereiteten dünnen Reisige gelegt. Die Flamme ergreift das Holz, der Wind pfeift hinein und sorgt für nötigen Nachschub an Sauerstoff. Die Flammen lodern hoch.
++++ 07.04.2023 Quelle: Wolf E. Schneider; Die große Biografie der Insel Borkum