N´lekker Kopke Tee.
Nur ganz kurz stoppt die Unterhaltung. Sie warten auf das Geräusch, das für alle Borkumer Ohren feinste Musik ist. Sie wollen das feine Knacken hören, wenn der silbrig-weiße Kandis beim Eingießen des heißen Tees zerspringt.
Schön gedeckt ist der Tisch, wie jeden Tag, denn an jedem Tag ist Teetied. Die kleinen Tassen aus feinem Porzellan, bemalt mit der Ostfriesischen Rose, stehen vor Gesche, Maike, Ommo und Hauke. Auf dem Stövchen wartet schon die Kanne mit dem für Borkumer beliebtesten Getränk, ihrem Ostfriesentee. Langsam gießt Gesche, heute die Gastgeberin, die dunkel-goldene Flüssigkeit in die Tassen – und es knackt, das Kluntje zerspringt. Neben dem Stövchen steht die flüssige Sahne mit einem kleinen filigranen Rahmlöffel, der am oberen Ende gebogen ist. Gesche hält den Löffel als erstes kurz zum Aufwärmen in ihre Teetasse – so wird der Rahm besser abfließen – und füllt ihn dann mit einer kleinen Menge Sahne. Langsam, ganz langsam lässt sie die Sahne am Innenrand der Teetasse hinabgleiten und das „Wulkje“ ist da. Wie eine weiße Wolke bewegt sich die Sahne durch den goldenen Trunk. Schon der erste Schluck ist köstlich.
Auf Borkum sind Teezeiten längst zum festen Bestandteil eines jeden Tages geworden. Besonders geschätzt, der Nachmittags-Tee. Dabei ist gerade das Teetrinken ein Akt der Geselligkeit. Teetied bedeutet gleichsam Quatschen und Klönen, auf Borkum sagt man „prooten“. Auch um Gäste willkommen zu heißen – egal ob sie für eine Stunde oder eine Woche bleiben – wird eine Tasse Tee angeboten. Diese Tradition wird in Ostfriesland gehegt und gepflegt. Wer als Gast in der guten Stube, der Küche oder am Arbeitsplatz „ ́n Koppke“ Tee angeboten bekommt, darf das als Ausdruck friesischer Gastlichkeit und Zuneigung verstehen.
Traditionell wird eine spezielle Mischung aus bis zu zehn Schwarzteesorten getrunken, der Ostfriesentee. Hauptsächlich stammen die Teeblätter aus dem indischen Assam. Aber auch etwas Darjeeling- und Ceylon-Tee wird beigemischt. Das Verhältnis der einzelnen Teesorten wird immer wieder neu zusammengeführt, sodass der typisch herbe und kräftige Geschmack entsteht. Nur Tee, der tatsächlich in Ostfriesland gemischt wurde, darf sich auch Ostfriesentee nennen. Alles andere verdient lediglich den Namen „Ostfriesische Mischung“. Pro Teezeit werden mindestens drei Tassen Tee getrunken. Denn drei Mal ist Ostfriesen-Recht, wie das Sprichwort sagt. Es wird so lange nachgegossen, bis man seinen Löffel in die leere Tasse stellt und man damit signalisiert: Bitte keine weitere Tasse! Deshalb gelten die Ostfriesen heute auch als „Teetrinker-Nation“ Nummer 1. Bis zu 200.000 Tassen Tee trinkt ein Ostfriese in seinem Leben. Ein Viertel der deutschen Teeimporte geht nach Ostfriesland, obgleich dort nur ca. 3 Prozent der Bundesbevölkerung leben. Jährlich verbraucht ein Ostfriese statistisch gesehen 2,5 Kilogramm Tee. Im Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 700 Gramm.
Mehr über den Ostfriesentee, die perfekte Zubereitung und die Borkumer Teezeremonie lesen Sie in „Die große Biografie der Insel Borkum“