Sie haben sich auch schon mal gefragt, weshalb die Robben im Winter nahezu gänzlich verschwunden sind? Während Seehunde diese Zeit meist draußen in der eis- und frostfreien Nordsee verbringen und sich fast die ganze Zeit im Wasser aufhalten – dessen Temperatur wesentlich wärmer als an der Luft ist (sie können sogar im Wasser auf dem Rücken liegend schlafen) – ziehen sich die Kegelrobben (zumindest die Weibchen) oftmals in Richtung Hooge Hörn oder auf die Kachelotplate zurück, um hier in der Wurfzeit zwischen Ende November und Januar in Ruhe ihre Jungen gebären, abstillen und aufziehen zu können. Dabei suchen sie sich als Kinderstube meist eine vor Hochwasser geschützte Stelle in den Dünen, da die Kegelrobbenbabys erst nach bis zu sechs Wochen ins Wasser können. Erst wenn sie ihr flauschiges Fell, das sie vor Wind und Kälte schützt, abgelegt und sich eine ordentliche Speckschicht zugelegt haben, sind sie in der Lage, eigenständig in der Nordsee zu schwimmen und zu jagen.

Borkums Seehunde hingegen gebären ihre Jungen bereits im Frühsommer zwischen Ende Mai und Mitte Juli. Anders als Kegelrobben zieht es die Seehundbabys direkt nach ihrer Geburt mit der ersten Flut ins Wasser, wo sie der Mutter sogleich hinterherschwimmen. Trotz dieser frühen Schwimmfähigkeit haben sich aber auch die kleinen Seehunde erst nach etwa vier Wochen selbst beigebracht, selbstständig nach Nahrung zu jagen, sodass sie so lange mit Muttermilch versorgt werden müssen.

Auf Borkum trifft man Seehunde und Kegelrobben vor allem auf der – sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr mit dem früheren Hauptbadestrand verbindenden – Sandbank „Hohes Riff“ sowie am östlichsten Zipfel der Insel „Hooge Hörn“ an. Von Frühjahr bis Spätherbst rasten sie hier im Sand und robben regelmäßig ins Meer, um nach Nahrung zu jagen. Dabei stehen vor allem Fisch wie z.B. Dorsch, Sandaal und Hering, aber auch Garnelen oder Krebse auf ihrem Speiseplan. 

Heuler und deren Retter auf Borkum

Gerade in den Sommermonaten kommt es daher häufig vor, dass Seehundjungtiere am Strand liegend auf ihre Mütter warten und nach diesen mit jammernden Geräuschen rufen – weshalb sie auch als „Heuler“ bezeichnet werden. „Die Mütter legen ihre Babys in dieser Zeit ab und gehen selbst zum Fressen auf die Jagd“, erklärt Wattenjagdaufseher Christian Fink, der gemeinsam mit seinem Kollegen Jonny Böhm ein wachsames Auge auf die Robben wirft. „In manchen Fällen kommt die Mutter z.B. aufgrund von Störungen durch den Menschen jedoch nicht wieder, sodass die Jungen zu verhungern drohen. Dann treten wir in Aktion, sammeln diese ein und lassen sie zur Seehundaufzuchtstation nach Norddeich transportieren. Dort werden sie aufgepäppelt bzw. großgezogen – und nach ca. sechs Wochen meistens vor Juist wieder ausgewildert.“

Christian Fink und Jonny Böhm

Im Durchschnitt rücken die beiden Seehundretter rund hundert Mal im Jahr aus, nachdem sie einen entsprechenden Notruf erhalten haben. „Das bedeutet aber nicht, dass wir jedes Tier dann mitnehmen. Denn es geht erstmal darum zu schauen, ob das Tier wirklich von der Mutter verlassen wurde oder verletzt ist. Oftmals wartet das Junge nur auf seine Mutter oder es handelt sich um einen kleinen Seehund, der sich einfach nur ausruht. Dann sperren wir den Bereich lediglich ab und errichten ein Schild, das Spaziergänger darauf hinweist, Abstand zu halten und das Tier in Ruhe zu lassen. Auf keinen Fall sollten die Tiere angefasst werden – nicht nur, weil sie auch zubeißen können, sondern vor allem, weil ihre Mutter sie nach Kontakt mit Menschen nicht mehr annimmt und zur Waise werden lässt. Außerdem sei es wichtig Hunde fernzuhalten – allein auch schon, weil Seehunde für die vierbeinigen Freunde lebensbedrohliche Krankheiten übertragen können“, berichtet Fink, der gleichzeitig betont, dass es sich nur in weniger als jedem zweiten Fall wirklich um einen Notfall handelt, der nach Norddeich gebracht werden muss. „Seehundbabys können auch gut mal einen Tag ohne Muttermilch überleben. Sollte das Tier jedoch am nächsten Tag immer noch allein an der Stelle oder z.B. zwischen Strandzelten und in von Touristen stark genutzten Strandabschnitten liegen, gilt es natürlich, die zuständige Seehundstation in Norddeich zu kontaktieren, die wiederum uns Bescheid gibt.“ 

Die „Bananenstellung“

Zuallererst sollte man folglich nicht in Hysterie ausbrechen, wenn eine Robbe auf dem Badestrand liegt – denn schließlich ist das auch ihr Lebensraum. So weisen auch die Verantwortlichen des Nationalpark Wattenmeers daraufhin, dass die Tiere oftmals am Strand herumliegen, um sich ein wenig auszuruhen. Ein typisches Anzeichen von Entspannung sei demnach die „Bananenstellung“ – d.h. wenn der Kopf und das Hinterteil sich dann in der Luft befinden und eine markante Bananenkurve zu erkennen ist, muss man sich keine Sorgen um das Tier machen und sollte es einfach in Ruhe lassen.

In den 1930ern fast ausgerottet

Laut aktuellen Robbenzählungen, die mehrmals im Jahr aus der Luft an den Küsten Deutschlands, Dänemark und der Niederlande per Flugzeug durchgeführt werden, leben im Wattenmeer mehr als 40.000 Seehunde und knapp 9.000 Kegelrobben. Das war aber noch nicht immer so. So galten Robben hier in den 1930er-Jahren schon beinahe als vollständig ausgerottet, da sie intensiv gejagt und getötet wurden. 

Zwar untersagte man hierzulande im Jahre 1953 zum ersten Mal die Jagd und verpflichtete Jäger dazu, fortan einen Erlaubnisschein zu beantragen. Dennoch ebbte die Jagd nicht vollkommen ab, sodass Robben zu einer echten Rarität wurden. Lebten um 1900 noch schätzungsweise 37.000 Seehunde im Wattenmeer, war ihr Bestand Anfang der 1970er auf knapp 4.000 zurückgegangen. Zu dieser Zeit war es schon etwas ganz Seltenes, wenn man einen Seehund im Wasser oder an Land sah. Besonders interessierten sich die Jäger früher für das Robbenfleisch, das Fell sowie aus dem Fettgewebe der Meeressäuger gewonnene Öl. Zudem sahen viele Fischer in den Robben, die täglich mehrere Kilogramm Fisch fangen und verzehren, einst eine starke Konkurrenz – und waren allein schon aus diesem Grund an einer starken Dezimierung des Bestandes durch Tötung interessiert. Jedoch weiß man heute, dass letztere Sorge unbegründet war. Denn laut Nationalparkverwaltung überschneidet sich das Nahrungsspektrum der Robben nur zu einem Teil mit den Fischarten, die von einheimischen Fischern gefangen werden. Demnach könnten Seehunde allenfalls kleinräumig die Fischbestände beeinflussen – nordsee- bzw. weltweit sei jedoch die Fischerei der entscheidende Faktor für die sinkenden Fischbestände der Meere. Um die Seehunde in der Nord- und Ostsee vor dem kompletten Aussterben zu bewahren, entschieden sich die Verantwortlichen, die Jagd auf die Robben komplett zu verbieten. Während das Verbot in den Niederlanden bereits 1962 in Kraft trat, folgten 1971 Niedersachsen, 1973 Schleswig-Holstein und 1977 schließlich Dänemark. 

Auch auf den Sandbänken vor Borkum machte man früher Jagd auf Borkums Seehunde. Die Insulaner praktizierten dies hauptsächlich zum Eigenbedarf. Sie verzehrten das Fleisch und aus dem Speck gekochten Tran, nutzten letzteren zum Einfetten von Schuhen, gerbten das Fell und kochten aus den Fettresten Seife. Urlauber hingegen jagten meist zum Vergnügen und prahlten mit ihrer Beute. 


Kontakt Seehundstation Norddeich

Sollten Sie eine besorgniserregende Robbe an den Stränden Borkums entdecken, kontaktieren Sie bitte direkt die Seehundstation in Norddeich unter der folgenden Telefonnummer: Tel.: 04931 973330! Die dortigen Mitarbeiter werden sich um alles andere kümmern und die hiesigen Seehundretter Christian Fink und Jonny Böhm benachrichtigen.++++ pas / 27.April 2023

Quelle: Burkana-Magazion No.79; Nationalpark Wattenmeer; Seehundstation Norddeich

Borkums Seehunde sind da

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